Gedanken – nicht nur zu meinen Bildern der letzten Jahre
Gunther Sehring (Oktober 2009)

Wer immer noch meint, bildende Kunst sei lediglich ein billiges wie probates Mittel zur besseren Erkenntnis der sichtbaren Wirklichkeit oder gar glaubt, sie sei allein ein Instrument zur Nutzbarmachung und Ausdeutung irgendwelcher gesellschaftlicher Potenziale und Interessen, der geht ganz sicher fehl. Die Betonung liegt hier auf „lediglich“ und „allein“, denn es gehört zweifellos auch zur mitunter arg strapazierten Autonomie zeitgenössischer Kunst, den genannten Umständen als ihr getreuer Erfüllungsgehilfe zu dienen. Für mich ist Kunst jedoch zuallererst ein Medium, welches eben nicht zweck-, sondern sinnorientiert ist. Auf der rastlosen Suche nach dem „Sinn der Zwecke“ kann man Philosophie und Theologie betreiben oder man gestaltet, zeichnet und malt und vermag es, eine nicht verbalisierbare Dimension menschlicher Existenz zu erschließen.

Die schneidende Härte der Konturen – seit Jahren unerbittlich, festlegend – findet ihre Milderung in gelegentlichen Ausbrüchen, Ausrissen und insbesondere malerischen Valeurs, die ihrerseits Volumen und Raum generieren. Die Geometrie hat nicht das letzte Wort. Etwaiger Materialschwelgerei ist aber von vornherein ein Riegel vorgeschoben, denn die ruhigen, lichtvollen Farbräume sind nämlich manchmal gar nicht gemalt, sondern bereits fragmentierte, selektierte und in das strenge Konzept der ETÜDEN integrierte Klebeteile aus anderen Bildzusammenhängen. Das Prinzip der Collage erlaubt, ja fordert es geradezu, Fremdes – und seien es lapidar stufenlose Farbübergänge – als Eigenes anzunehmen. In einer solchen Limitation liegt im Übrigen meist die größte künstlerische Freiheit. Ich bin ein Freund stiller Texturen, gewiss – aber Konstruktionen, Ornamente oder expressiv verfremdete Figuren wollen gerne auch mitreden. Über die „Strenge“ schlagen darf man also schon, zumal die Etikettierung dieser kleinformatigen Arbeiten als „Übungsstücke“ selbstverständlichen Spielraum hierfür lässt.

Mir selbst ins Stammbuch geschrieben: Minimalismus bedeutet dann den sicheren Tod und das Ende jeglicher Spontaneität, wenn er zum reinen Formalismus mutiert!

Sich an der „Realität“ abzuarbeiten, das ist nicht unbedingt leicht. Man ist als Maler nicht nur seinen individuellen Möglichkeiten und Fantasien verpflichtet, man sollte ebenso als Interpret und Mittler von Realität präsent sein. – Bediene ich mich bei den kleinen „Etüden“, dem Medium Collage angemessen, gewissermaßen einer induktiven Methode, um das gewünschte Resultat zu erlangen, so bei den FORMULAE (formula ist das Diminutivum von forma) weitgehend einer deduktiven. Mit dieser Serie erobert sich der Bildraum figuratives Terrain ein Stück weit zurück. Gleichwohl bleiben die Anklänge an Gegenständliches, Organisches oder Vegetabiles stets äußerst vage. Als Ausgangs- und Fixpunkte in den Variationen dienen typisch standardisierte Bogen- und Kurvenformen, die nicht selten an ostasiatische Kalligraphie erinnern. Die m.E. wichtigsten Arbeiten dieser Reihe sind Grisaillen. Von schmalen vertikalen Balken links und rechts gerahmt, erscheinen lichte Quadrate, welche im Bildzentrum wie Kacheln eine Welt zusammenfügen, deren dunkle, bewegte, dennoch wie ausgebrannt wirkende Spuren zumindest erahnen lassen, dass das Leben keine Seifenoper ist. Doch gelegentlich dürfen auch ein paar heitere Farben erklingen; dann strahlen sie plakativ, im Sinne einer neuen Heraldik. Mich interessiert insbesondere das farbige Weiß, seine mannigfaltigen Abstufungen: Mal erstarrt es zu Eis, bald schmilzt es wie Butter, mal singt es himmelblau, bald glimmt es höllenrot. Ja, Weiß ist zwar auch das große Schweigen, das „manchen Pausen in der Musik entspricht“, wie Kandinsky so schön sagt, aber es ist eben auch „ein Schweigen, welches nicht tot ist, sondern voll Möglichkeiten“.

Dass Bilder von integerer Qualität Vergangenes und Gegenwärtiges im Hier und Jetzt zur Sprache bringen, Vergessenes oder Verdrängtes thematisieren sowie im Ganzen ein tiefgründig sinnliches Gegenüber bieten können: Wunder genug! Dass sie aber auch vermögen – zuweilen jedenfalls –, die Fassaden des Hic et nunc niederzureißen und den Blick auf Utopisches bzw. nie zuvor Gesehenes zu eröffnen: darin vor allem liegt ihre ureigene Anziehungskraft. Mancher Zyniker und Liebhaber schlichter postmoderner Wahrheiten mag hier wohl einwenden, dies klinge allzu sehr nach Phrase und Pathos. – Ich behaupte allerdings: Der Wunsch nach dem Ausdruck des Überzeitlichen ist seit jeher die eigentliche Basis des Menschseins.


„Monats-Maquetten“ zu Kunst und Leben
Gunther Sehring (Auszüge 2011–2021)

Februar 2011
Kunst/Macht/Arbeit: Entweder man macht Kunst oder man geht arbeiten.

Kunst ist nicht bloß das Sahnehäubchen auf jener Torte, die wir mal „Leben“, mal „Welt“ nennen.

März 2011
Ein berühmter Spruch, abgewandelt auf die Kunst bezogen: Hättest Du nicht ausgestellt, Du wärest ein Künstler geblieben.

Du hast keine Chance, also nutze sie!

Mai 2011
Schön ist, was der Schau dient.

In der Kunst geht es nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern darum, dass es runder läuft.

Von der Außenlinie ist das Spiel im Inneren gut zu sehen: Der Künstler als Außenseiter hat alle Chancen, Einblicke zu erhalten, die anderen verwehrt bleiben.

Juni 2011
Man malt ein Leben lang Bilder, um einmal im Leben ein Bild zu malen: das erste, einzige, beste, letzte.

Ob gegenständlich oder ungegenständlich – jedes authentische, gute Bild hat sein eigenes Geheimnis.

In der Kunst geht es nicht um Selbstverwirklichung oder Identitätsstiftung, sondern um Erkenntnis dessen, was „Wahrheit“ heißt.

Durch Form-Setzung manifestiert sich als Resultat des künstlerischen Prozesses Gestalt, die auf eine Wahrheit zielt. Ein identisches Abbild der Wirklichkeit bleibt dabei ausgeschlossen. – Das ist das pathetische Credo der Moderne, ihr Vermächtnis, dem auch ich mich noch verpflichtet fühle.

Juli 2011
„Formulae“: Mein expressiver, „romantischer“ Konstruktivismus demonstriert Facetten des Lebendigen wie des Toten. Stufenlose, subtil modulierte Farbübergänge kreieren sanfte Bewegung, harte Formen – die dunklen Bögen – scheinen sich leicht zu drehen; sie wollen schließlich stille stehen… Dazu passt der scharfe Helldunkelkontrast, das Weiß und das Schwarz: Alles und Nichts in einem Bild.

Eine Zivilisation ohne Kultur ist wie ein Zwetschgenkuchen ohne Schlagsahne. – Die Sahne und der Kuchen bilden nämlich eine untrennbare Einheit!

Auf Unnötiges verzichten, um besser, bewusster wahrnehmen zu können – das ist heute nicht nur in der Kunst eine Maxime, die unbedingt notwendig ist. Einfachheit bleibt jedoch das Schwierigste.

Die beste Aussicht ist nur auf einem Gipfel zu haben. – Die kluge Einsicht kann man auch aus seiner Koje heraus gewinnen.

August 2011
Reine Geometrie ist pure Langeweile! Die Bilder dürfen deshalb nicht in einem Purismus oder Formalismus aufgehen, der alleine sich selbst bestätigt. Schließlich würde ja auch ein Musikstück, das gänzlich aus Dreiklängen zusammengesetzt wäre, nur ein Gähnen hervorrufen, die nötige Schärfe kompositorischen Schaffens also bewusst hintertreiben.

Dies wirft ein Schlaglicht auf die Kunstrezeption: Sind die Künstler voll, nimmt man sie ernst, sind sie aber ernst, hält man sie für nicht ganz dicht.

Bilder zeugen Bilder. Das Ziel: die bildnerische Formel zu finden für das, was wortlos ist!

September 2011
Kunst hat Körper und Geist. Wo der Geist fehlt, ist sie ein Amputat: hirn- und sinnlos.

Den subtilen Innovationen der Künstler steht die harsche Diktatur des schlechten Geschmacks entgegen. Die Masse macht´s, leider!

Oktober 2011
Nichtiges per Zeichnung zurückdrängen, damit sowohl Malerisches als auch die Idee in nuce klar zutage treten!

Leben = Räume, Träume umschließend.

November 2011
Bild kreiert Bild, Wort gebiert Wort, Verstand schafft Vernunft – nur leider: Irrtum zeugt Irrtum!

Dezember 2011
Jedes Kunstwerk ist als Artefakt immer nur gleichnishaft gegenüber der „großen“ Realität zu verstehen – sei diese nun sichtbar oder unsichtbar.

Januar 2012
Die innere Logik oder notwendige Evidenz der künstlerisch-visuellen Ordnungssysteme, die sich nicht in Worte und Begriffe übertragen lässt, erschließt transzendente Bereiche des Seins, an die unsere verbale Sprache ansonsten nicht heranreicht.

März 2012
Wir Menschen brauchen nicht unendlich mehr, sondern mehr Unendliches.

April 2012
Dies (ge)bietet Natur und Kunst: gleichzeitig das Leben erfahren und vergessen.

Wahr-Sehen verlangt: Augen schließen!

August 2012
Glasmalerei ist so etwas wie das „Auge“ der Architektur – sie lässt diese gleichsam „sehen“. Mit anderen Worten: Erst die kunstgerechte Verglasung kreiert den Sinncharakter von Räumen.

Oktober 2012
Gott würfelt nicht. Das, was dem Maler zufällt, darf dieser – als Zufall – dankbar annehmen.

November 2012
Wer sagt denn, dass Kunstwerke „Atmosphäre“ transponieren müssten? Das Erleben auratischer Feierlichkeit vor den Bildern in allen Ehren, ja, warum nicht! Das bewusste Verweigern von atmosphärischen Stimmungen aber lässt darauf schließen, dass es der Künstler mit seinem Werk wirklich ernst meint. Subversiv unterläuft er die konsumorientierte Erwartungshaltung des Publikums. – Und schafft seine ureigene „Atmosphäre“.

Dezember 2012
Das Denken über Bilder kostet Zeit und Kraft – mehr als das Malen selbst.

Januar 2013
Wer Bilder nicht selbst im Hirn hat, der bekommt sie eben von anderen vor Augen gestellt.

März 2013
Im Gegensatz zum pittoresken Durcheinander manch digitaler oder animierter Bilder sollte ein zeitgenössisches Gemälde seinen Sinn in der Gewalt der Stille finden, die dem Transitorischen Dauer verleiht.

Mai 2013
Eindeutigkeit oder Multivalenz? – Ich vertraue der Kraft der Zeichen!

Selbstverständlich muss ein Bild „klingen“: beherrschte Technik und kalkulierte Rhythmik sind die Prämissen, welche die gelungene Umsetzung einer Bildvorstellung bedingen. Eine nur „disziplinierte“ Ästhetik ist mir allerdings noch zu wenig…

Juni 2013
Vor lauter Ausnahmen bleiben die Einnahmen aus.

Man muss die Regeln kennen, um sie bewusst zu ignorieren.

August 2013
Kunst kann Show, doch Show ist nicht gleich Kunst.

Das Unzeitgemäße des ewig Gleichen – muss anecken!

Collage-Ideal: Einfach kleben = einfach leben!

Die Entzauberung der Welt geht stets einher mit dem Wunsch des Menschen, endlich einmal selber zu zaubern.

Oktober 2013
Was schlechte „Kunst“ von missratenem Design unterscheidet? Letzteres erfüllt immerhin seinen Zweck.

Musik und Kunst müssen gewissermaßen „aus den Tiefen des Raums kommen“, nur so sind sie fähig, an- und aufrührend zu wirken.

November 2013
Wenn man sich für etwas einsetzt, darf man es in der Regel nicht aussitzen.

Als Außenseiter hat man oft einen freien Blick hin zur Mitte.

Selbstzufriedenheit ist immer gefährlich: Als Künstler kann man nicht rundum glücklich sein.

Kunst agiert zwischen den Polen Vergänglichkeit und Ewigkeit.

Dezember 2013
Neulich auf der Kunstmesse: Müde gähnen die Münder, doch die Münter macht munter.

Im Halbschlaf gedacht: Man könnte mal der Zeit entgegenschlafen.

März 2014
Gewissen ohne Wissen macht machtlos, Wissen ohne Gewissen missbraucht Macht.

Mai 2014
Der Alltag ist oft nicht schön; Alltägliches hingegen schon.

Kunst machen heißt, in Bildern zu denken, um den Begriffen zu entkommen.

Juli 2014
Das ist wahr: Kunst resultiert aus 5 Prozent Tradition, 5 Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration!

Mit den Augen denken und mit den Gedanken sehen – das muss ein Maler beherrschen.

September 2014
Welt-Bildlosigkeit bedeutet Materialismus pur.

Das, was man gemeinhin Realität heißt, ist de facto meist nur Wirklichkeitsfassade. Realität, so wie ich sie verstehe, umfasst eben nicht nur das „Wirkliche“, sondern auch das „Un-Wirkliche“. Ohne eine solche Art ganzheitlicher Wirklichkeitsaneignung kann auch keine Kunst entstehen.

Oktober 2014
Die Berge lassen uns Ewigkeit schmecken.

Januar 2015
Die Kunst des Lebens hat etwas mit der lebendigen Kunst gemein: den ewigen Wunsch, der Vergänglichkeit ein Stück Ewigkeit abzutrotzen.

Meine Bilder haben immer auch etwas Verletzendes an sich.

Februar 2015
Ich bin davon überzeugt, dass es in der Kunst stets um ein „Mehr“ gehen muss! Immerhin lassen ästhetisch gelungene Werke – jenseits aller Zwänge und Zwecke – erahnen, dass hinter dem Sichtbaren ein „Plus“ existiert, das sich absoluter Erkenntnis entzieht: Denn alles Sichtbare ist nicht das Letztgültige.

Mai 2015
Auch Künstler sind Interpreten des Realen und können schon deshalb nicht ein „absolutes“ Schöpfertum für sich reklamieren.

Juni 2015
Wer nur malt, um sein Ego aufzupolieren, ist in der Kunst definitiv am falschen Platz.

September 2015
Nur wenn es gelingt, die eigenen Arbeiten jeweils mit sozusagen fremden Augen ganz neu zu sehen, sind sie überhaupt von Belang.

Oktober 2015
Statement zur Ausstellung „KLanQuadrat“ im Alten Rathaus Langen/Hessen:
„Quadratisch, praktisch, gut“: Ist das Quadrat in der Kunst, als Motiv, Metapher oder Sinnbild, nicht ausgereizt bis zum Geht-nicht-mehr? In den gut sortierten Kunstgeschichtsschubladen des 20. Jahrhunderts ist es leicht zu finden, unter A wie Albers etwa, unter M wie Malewitsch und Mondrian und V wie Vasarely. Doch warum greifen die Künstler auch heute noch gerne auf diese scheinbar so schlichte und spannungslose geometrische Urform zurück? In meiner Bildwelt taucht die konstruktiv-quadratische Form jedenfalls schon sehr früh auf; heute darf sie in der Werkgruppe „Formula“ gar eine Hauptrolle spielen. – Schlichtheit, Einfachheit? Man kann es auch so sehen: Sagt diese sowohl archaische wie intellektuelle, Grenzen setzende Form, vier simple, gerade Linien, zusammengefügt im Nichts, nicht zugleich alles? In der alten Ikonografie zuweilen die Welt (mithin auch das Menschliche schlechthin) symbolisierend, versinnbildlicht sie ein Zuhause zwischen vier Wänden. Angemessen? Durchaus! Aber zugleich auch anmaßend, weil offensichtlich wider die Natur. Stattdessen ein Imperativ, eine moralische Forderung: Ordnung und Kultur schaffen! Endlich und vorläufig nur, auf unbestimmte Zeit: Ein kleines Stück von Ewigkeit.

November 2015
Künstler, vergiss nicht die Grautöne!

Dezember 2015
Aussagekräftige Einfachheit entsteht nicht durch simples Weglassen, sondern durch Reflexion, Synthese und Selektion komplexer Darstellungszusammenhänge.

Februar 2016
Wer das Elend dieser Welt stoisch ertragen kann, der ist nicht ganz dicht; wem es aufs Gemüt schlägt, der ist Dichter!

Mai 2016
Das wäre wohl ein misslungenes Kunstwerk, welches dem Betrachter nicht noch viel mehr böte, als sein Schöpfer bewusst hineingelegt hat.

Juni 2016
Niemand meint es „böse“, und dennoch existiert das Böse: Gutes wollen und gut sein sind eben zwei Paar Schuhe.

Juli 2016
Zuviel Lust kann Unlust generieren, zu viel Unsinn jedoch keinen Sinn.

August 2016
„Uns trägt kein Volk“: Das galt damals und gilt noch heute.

Oktober 2016
Die Fähigkeit des Sich-Hinwegträumens aus der Realität hat in unserer Zeit groteske Formen angenommen. Aufgabe der Kunst heute wäre es, entgegen der Forderung Adornos, „Chaos in die Ordnung zu bringen“, Ordnung ins allgemeine Chaos zu bringen. – Die „abgedungene Untat“ als souverän verantwortete „reinigende“ Tat im Laufstall ihrer jeweiligen Tradition.

November 2016
„Post-truth“ nennt man jetzt die Lüge!

Dezember 2016
Die Kunst allein ist zu wenig.

Januar 2017
Jenseits des Mainstreams lassen sich oft die schönsten Perlen finden.

Februar 2017
Will Kunst sich als Kunst behaupten, sollte sie sowohl eine essenzielle als auch eine existenzielle Erfahrung widerspiegeln und vermitteln.

Mai 2017
Genauigkeit ist eine Zier – weiter kommt man ohne ihr!

Juni 2017
Inwieweit die Gleichung „Kunst = Denken + rhythmische Balance“ immer aufgeht, sei dahingestellt.

Die Kunst kann den Menschen nicht retten, aber sie schafft und gewährt ihm die Zeit und Würde, um Mensch zu sein.

Juli 2017
Die Kunst und die Aufgabe während eines Wanderurlaubs: Wege zu suchen, zu finden und zu gehen, „die noch keiner ging zurück“.

August 2017
Von seinen Bildern spricht der Maler: „Meinen Kindern soll´s mal besser gehen als mir!“

September 2017
Dass Sein Anerkannt-Sein meint („esse est agnosci“), kann nicht sein – die Verlorenen „sind“ ja auch…

Oktober 2017
Oftmals kann nur das Unvollendete vollendet sein.

Absolute Schönheit ist Wahrheit in Reinform.

Dezember 2017
Kunst darf keinesfalls nach Arbeit riechen.

Januar 2018
Kunst = Geist + Erkenntnis + Körper + Maß + Spiel.

April 2018
In der Kunst wie im Leben gilt: erst die Haltung, dann die Handlung!

Schönstes Kompliment bezüglich meiner Bilder: „…Sie trumpfen nicht auf, sondern ab.“

Mai 2018
Alle Kunst ist Anmaßung.

Juni 2018
Wenn wir sehen wollen, müssen wir die Augen schließen; wenn wir leben wollen, müssen wir vergessen können.

Juli 2018
Die Künste sind noch immer zugleich Grundlage wie ständige Infragestellung unserer Zivilisation.

August 2018
Den Kanon der Kunstgeschichte muss man erst einmal gründlich kennen, um ihn – im nächsten Schritt – bezweifeln zu können.

September 2018
Zumeist ist Kunst erst dann Kunst, wenn sie aus dem Rahmen fällt.

Eine Kunstsammlung mit Profil spiegelt die Freiheit und Humanität einer Gesellschaft.

Oktober 2018
Die „Sammlung aus der Zerstreuung“ (Walter Benjamin): dies gilt auch für eine Kunstsammlung. Darüber hinaus ist die Erneuerung einer „alten Welt“ als Wunsch und Antrieb, völlig Neues vor die Augen zu stellen, stete Motivation des echten Sammlers.

November 2018
Das Scheitern ist die Option des Künstlers, der nach neuen Wegen sucht.

Zwischen den Stühlen findet sich immer einen Platz, wenn auch nicht immer ein bequemer.

Januar 2019
Kunstfreie Räume behindern noch nicht die Freiheit der Kunst.

Was ist „die Wirklichkeit“? Unter anderem auch die absolute Treue zur eigenen Person – ihrer Verfasstheit, ihren Auffassungen, ihrer Haltung und Überzeugung und nicht zuletzt die Souveränität und Autonomie persönlicher Vorstellungen, Visionen, Gedanken… Leider auch die Niedertracht samt diverser Lügengebäude!

März 2019
Wer unter demütigenden Umständen lebt, wird demütig – oder läuft Amok.

Mai 2019
Zeit ist zu kostbar, um ständig auf die Uhr zu schauen.

Juli 2019
So etwas wie das „ultimative Bild“ kann es nicht geben, leider!

August 2019
Bleiernes Desinteresse tötet mehr als alles andere.

Dezember 2019
„Form“ ist das Resultat eines ausgereizten Potenzials purer Materie.

Januar 2020
Politik und Kunst: Verwaltung und Gestaltung. (Keine) Künstler an die Macht!

Februar 2020
Neunundzwanzig Tage sind ein Monat – nicht genug Zeit, um zu leben!

Juni 2020
Kunst als Kunst ist hundertprozentig irrational.

August 2020
Vielleicht haben Gottes Sonderangebote auch nur ein begrenztes Mindesthaltbarkeitsdatum.

In unserer Branche lässt Gefühllosigkeit Formalismus und leere, hohle Masken sprießen. Peinlich sind diejenigen, denen Gefühle peinlich sind!

September 2020
Unverständnis allerorten: „Denn nur das Gefühl versteht das Gefühl" (Heine). Wer´s nicht hört, dem begegnet es nicht in der Musik und wer´s nicht sieht, kann es in allen Bildern nicht wahrnehmen.

Sage mir, wer du wirklich bist, nicht was du irgendwann getan hast!

Oktober 2020
Nichts Schöneres als Stille und Frieden im Bild! Die Ruhigstellung bildnerischer Mittel bringt den Betrachter stets zur Ruhe, führt zur Meditation und zu einer bisweilen sehr persönlichen „Innenschau“. Wirkungsästhetisch darf das Bild im Ganzen jedoch nie in spannungsloser „Harmonie“ aufgehen und zur totalen, toten „Formel“ erstarren. Vielmehr sind irritierende, störende Bildelemente in Maßen unbedingt nötig, um die visuellen Strukturen der Malerei (nicht zuletzt während des Arbeitsprozesses), analog zur Musik, zu verzeitlichen – und um damit das Gemälde wesentlich zu beleben. Im Nachvollzug wird der Rezipient das Endprodukt dennoch als stimmige Einheit auffassen.

Selbst wenn seine Lebenswelt in Unordnung gerät – der Künstler lebt in ihr letztlich mit Trost und Zuversicht, indem er sie mit jeder weiteren Arbeit neu auszurichten und neu zu ordnen vermag.

„Mutter unserer Gefühle“: Ja, Kandinsky hat Recht, jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit und trifft die Gefühlslage seiner Betrachter. – Echte Gefühle haben freilich gar nichts mit irgendeiner sentimentalen Gefühligkeit zu tun, sondern zeugen von aufrichtigen Empfindungen, von Intuition und einer intakten, integren Individualität. Echte Gefühle sprechen noch immer von Wahrheit.

Wer nicht denkt, der dankt auch nicht.

November 2020
Artistik ist nie zu verachten, auch wenn sie mehr den Unterhaltungstrieb als den eigentlichen „Kunsthunger“ des Menschen befriedigt.

Aufgabe der Kunst ist es letztlich, den einzelnen Menschen zur Freiheit zu verpflichten.

Lebenszeit verlieren – über den Arbeitsprozess hinaus, damit die Bilder leben und Überzeitliches gewinnen!

Man kann Kunsthäuser und Museen für Wochen oder Monate zusperren – Bilder sterben nicht…

Schiller: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut.“ – Wer körperlich betagt ist, muss demnach nicht geistig umnachtet sein.

Was schön ist, muss wahr bleiben.

Dezember 2020
Kalligrafische Bildelemente – gleichsam „eingefroren“ – bieten eine günstige Basis für potenziell Figürliches.

Farbveränderung bedingt Lebensveränderung.

Januar 2021
Wer in den Himmel baut und seine Wurzeln vergisst, braucht sich nicht zu wundern, wenn er fällt.

Bringt man Kosmisches zum Klingen, muss Chaotisches pausieren.

Ewige Ordnungen provozieren ewigen Trost.

Februar 2021
Im Anfang war das Bild!?

Die stete Suche nach Wahrheit in der Kunst erinnert an die Webarbeit der Penelope – sie kommt kaum zu einem Ende.

Am Ende bleibt doch die Liebe: Omnia vincit amor!